Auswahlkriterien und Hilfestellung bei der Suche nach dem geeignetsten Konfliktlösungsverfahren

Auch wenn der Gang zum Rechtsanwalt mit dem Ziel eine Klage bei einem staatlichen Gericht einzureichen häufig "die erste Wahl" ist, um einen Streit für sich zu entscheiden, so gibt es doch zahlreiche Alternativen, die häufig zielführender, preiswerter und schneller zu einer Lösung führen. Insbesondere wenn es nicht das Ziel des Streites ist den "Gegner" am Boden zu zerstören und als Verlierer zu sehen, sollten Alternativen zum staatlichen Gericht näher betrachtet werden.

Die nachfolgende Auswahlhilfe zeigt einige wichtige Aspekte auf, die helfen können, den für sich selbst geeignetsten Weg zu finden, einen Konflikt erfolgreich zu beenden.

  • Streitwert und Kosten: Bei geringen Streitwerten sind die Kosten vor den staatlichen Gerichten entsprechend niedrig. Eine erwägenswerte Alternative bei geringen Streitwerten sind Schlichtungsstellen die von Vereinen oder Verbänden bezahlt werden oder die ehrenamtlich arbeitenden Schiedsmänner und Schiedsfrauen. Bei Streitwerten oberhalb der Bagatellgrenze wie z.B. bei Erbschaft, Zugewinnausgleich, Sachmängelhaftung, Unternehmensnachfolge, Aufhebungsverträge ist eine staatlich anerkannte Gütestelle, die nicht streitwertabhängig arbeitet, eine vollwertige aber preiswerte Alternative zu den Gerichten, alleine aus Kostengesichtspunkten.
  • Klärung der Schuldfrage oder Suche nach einer Lösung mit der alle Beteiligten leben können? Zur Klärung der Schuldfrage sind die staatlichen Gerichte oder Schiedsgerichte die erste Wahl, bei einem Streit auf der Sachebene können auch Schiedsgutachter eine sinnvolle Alternative sein. Wenn die Lösung eines Problems im Vordergrund steht, ist die Mediation, die häufig auch von staatlich anerkannten Gütestellen durchgeführt wird, im Vorteil
  • Öffentliche ./. Nicht-Öffentliche Verhandlung? Verhandlungen vor staatlichen Gerichten sind von wenigen Ausnahmen abgesehen immer öffentlich. Alle alternativen Verfahren sind in der Regel nicht öffentlich.
  • Vollstreckbarkeit - Gerichtsurteile können ebenso wie Vereinbarungen vor staatlich anerkannten Gütestellen oder Schiedsämtern problemlos für vollstreckbar erklärt werden.
  • Räumliche Zuständigkeit - Schiedsgutachter, Schiedsgerichte und staatlich anerkannte Gütestellen haben in der Regel keine Beschränkung der örtlichen Zuständigkeit und sind auch bei grenzüberschreitenden Streitfällen und bei mehr als 2 streitenden Parteien die erste Wahl.
  • Die Verhandlungssprache und der Verhandlungsort können bei einigen außergerichtlichen Verfahren von den Parteien bestimmt werden.
  • Verfahrensdauer - Bei staatlichen Gerichten besteht nur ein sehr geringer Einfluss, die Verfahrensdauer zu beeinflussen. Bei hochemotionalen Streitfällen kann eine "Entschleunigung" des Verfahrens sinnvoll sein, insbesondere Psychologen die als Mediator/ staatl. anerkannte Gütestelle tätig sind, bieten hier Vorteile. Die Verfahrensdauer kann bei den aussergerichtlichen Verfahren in der Regel beeinflusst werden.
  • Komplexe technische Sachverhalte wird der Richter eines staatlichen Gerichts von einem Sachverständigen bearbeiten lassen. Ein Schiedsgutachterverfahren kommt häufig zu einem vergleichbaren Ergebnis, jedoch in der Regel deutlich schneller und zu geringeren Kosten. Das Ergebnis eines Schiedsgutachterverfahrens ist nur bedingt anfechtbar und in der Regel endgültig. Ein Schiedsgutachter muss deshalb mit äußerster Sorgfalt ausgewählt werden. Die Auswahl des Schiedsgutachters der zuständigen IHK zu überlassen ist eine häufig gewählte Lösung in Schiedsgutachterabreden; sie birgt aber große Gefahren. Viel besser ist es sich auf einen Schiedsgutachter zu einigen. Ein Sachverständiger, der eine staatlich anerkannte Gütestelle betreibt, kann auf Wunsch der Parteien ein Gütestellenverfahren mit Sachverstand durchführen, wobei das Ergebnis nur festgeschrieben wird, wenn alle Parteien damit leben können.
  • Berufungsverfahren verzögern und verteuern die Entscheidung. Die Verhandlung vor einer staatlich anerkannten Gütestelle ist hier häufig die bessere Alternative sofern es nicht primär um die Klärung von Rechtsfragen geht.
  • Zukunftsorientierte Lösungen können staatliche Gerichte in der Regel nicht bieten. Mediation bzw. staatlich anerkannte Gütestellen, die die Mediation anwenden suche zukunftsorientierte Lösungen.
  • Teillösungen sind vor staatlich anerkannten Gütestellen vereinbar, wenn alle Parteien damit leben können. So kann z.B. beim Zugewinnausgleich der Streitwert drastisch reduziert werden obwohl es keine abschließende einvernehmliche Vereinbarung gab, da nur der noch strittige Teil von einem staatlichen Gericht entschieden werden muss. Teillösungen sind jedoch einen Ausnahme! In den allermeisten Fällen wird eine endgültige Vereinbarung abgeschlossen.
  • Ein anwaltlicher Vergleich kann ebenfalls für vollstreckbar erklärt werden. Insbesondere wenn auch Rechtsfragen erörtert werden und beide Parteien gleich stark sind, kann ein anwaltlicher Vergleich die beste Lösung darstellen.
  • Bei einem drohenden Strafverfahren kann ein Täter-Opfer-Ausgleich [TOA] sinnvoll sein. Es sollte möglichst schnell Kontakt zum zuständigen Staatsanwalt aufgenommen werden.